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with/in/significant other

Kuratorin: Işın Önol »


KünstlerInnen:
Bogomir Doringer
Shilpa Gupta
Ashley Hunt
Berat Işık
Ralph Kistler
Mario Rizzi
Stefanie Wuschitz / Claudia Eipeldauer / Philipp Lammer
Zorica Zafirovska


Instruments of vision mediate standpoints; there is no immediate vision from the standpoints of the subjugated. Identity, including self-identity, does not produce science; critical positioning does, that is, objectivity. [1]

Kinder der zukünftigen Generation, besonders Kinder aus finanziell wohlhabenden Ländern, scheinen in einem reformierten Schulsystem aufzuwachsen, das oberflächlich betrachtet normative und diskriminierende Systeme ablehnt. Während diese Reformen in Ländern mit heftigen sozialen, ökonomischen und politischen Konflikten nicht durchgesetzt werden, begünstigt das reformierte, westliche Schulsystem Militarismus, Kolonialismus, Imperalisums oder andere Formen des Ausdrucks von Überlegenheit sicher nicht, noch werden diese Werte in der Schule verteidigt. Der Lehrplan ist darauf ausgelegt, Kritikfähigkeit, Selbstreflexion und Objektivität zu fördern und Gleichheit zwischen Völkern, Geschlechtern, Nationen und im Grunde aller Menschen anzustreben. Besonderes Gewicht wird auf die Bedeutung von gegenseitiger Toleranz und Mitgefühl gelegt, Unterschiede sollen reflektiert und respektiert werden.

Trotz dieser friedlichen Rhetorik muss man allerdings bei genauer Betrachtung feststellen, dass gerade in Schulen die Werkzeuge der Diskriminierung und Ungleichheit intensiv kultiviert und weiterhin aktiv unterrichtet werden. Trotz der immer wieder auffachenden Debatte über politisch korrekte Sprache gelingt es dem Bildungssystem, den Anschein zu erwecken, im Dienst der Aufklärung zu stehen.

In der „politisch neutralen‟ Ära der repräsentativen Demokratien investieren gerade jene Regierungen, die in ihren Schulen angeblich Gewaltfreiheit und Anti-Diskriminierung vermitteln, enorme Summen in die Exekutive, das Militär, die Aufrüstung sowie Überwachung und in Sicherheitstechnologien, um die Bevölkerung zu unterteilen, zu beobachten und zu verwalten, unbequeme Personen werden bei Seite geschoben. Es wird hierbei um ein Vielfaches mehr Kapital ausgegeben, als für die Bemühungen um ein friedliches, kollektives Leben.

Während die offiziellen Geschichtsbücher über legendäre Entdeckungen von Kontinenten und Entwicklungen in der Wissenschaft und Technik berichten, wird uns selten vor Augen geführt, in welchem Ausmaß unsere Regierungen auch an Verbrechen partizipieren. Menschenhandel, Ölgeschäfte, sexuelle Gewalt, Frauenthemen, Homosexualität, Morde an Transgender-Personen, Menschen die an den Grenzen zu Europa sterben, wenn sie versuchen zu emigrieren, Hungerstreiks, Massaker, politische Gefangenschaft etc. werden in unseren Schulbüchern immer noch kaum berücksichtigt. Nicht nur durch die Schulen, sondern auch über Massenmedien und Social Media werden historische Tatsachen konstruiert und zur objektiven Wahrheit erklärt, was es im Übrigen jedem Individuum leichter macht, die harten Realitäten zu ignorieren.

Diese Umstände erzeugen ein Dilemma. Es stellt sich die problematische Frage, wem überhaupt das Recht zugestanden werden soll, die offiziell in den Schulen unterrichtete Geschichte festzulegen, und unter welchen Umständen dies geschieht, unter dem Einfluss welcher Werte und mit Hilfe welcher Institutionen?

Wenn nicht in der Schule, wo und wie würden wir sonst die Tatsache erlernen und verinnerlichen, dass „wir‟ auf der „richtigen Seite“ der Geschichte stehen? Unter welchen Bedingungen und Umständen werden marginalisierte Menschen unwichtig und dadurch unsichtbar in der Wahrnehmung der anderen?

In welchem Ausmaß sind Individuen im heutigen sozial-politischen und ökonomischen Kontext und im Bildungssektor in der Lage, zu ver-lernen, den „anderen“, den „marginalisierten‟ Menschen zu vernachlässigen, ihn ganz im Gegenteil zu sehen und selbst sichtbar zu sein? Während gleichzeitig mächtige staatliche Kontrollinstrumente wie normalisierte Medien und Bildungseinrichtungen das Ausschließen von Menschen praktizieren und legitimieren?

Oft, und das ist wohl wichtig anzumerken, ist die Unsichtbarkeit marginalisierter Menschen ein fragiler Schutz, der durch die Unterstützung von Außen und das Einfordern von Existenzrechten nicht bedroht werden darf.

Die Ausstellung with/in/significant other beschäftigt sich mit Politiken der Anerkennung und wirft die Frage auf, wie das Bild des „Anderen‟ innerhalb einer normativen Gesellschaft immer wieder neu produziert, reproduziert und normalisiert wird. Mit welchen Strategien nähern sich KünstlerInnen, LiteratInnen und VordenkerInnen den unterdrückten, dunklen Stereotypen des Unterlegenen, Ungebetenen, Unbehaglichen, Abgewerteten, Vernachlässigbaren. Dem sich unter der strukturellen Gewalt des Mächtigen im Dunkeln befindlichen „Anderen“. Die Ausstellung lädt KünstlerInnen ein, das Unsichtbare und Vernachlässigbare zu artikulieren, sie stellt KünstlerInnen vor, die die „Anderen“ ins Blickfeld rücken und sich um deren Anerkennung bemühen.


[1] Donna J. Haraway, Situated Knowledges: The Science Question in Feminism and the Privilege of Partial Perspective from Simians, Cyborgs and Women: The Reinvention of Nature (New York; Routledge, 1991)


Unterstützt von:

bm:ukk
ERSTE Foundation
Stadt Wien - Kulturabteilung MA 7
SAHA - supporting contemporary art from Turkey
MA 7 - Interkulturelle und Internationale Aktivitäten
Stadt Wien - Film, Kino, Neue Medien



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