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Maria Rosaria Ruggero, Video-Porträt auf transparenter, handgefertigter Filmleinwand, Hospitality © Bogomir Doringer

Hospitality – Gastfreundschaft

Bogomir Doringer »


Wenn Soldaten von Missionen aus Übersee (Golf, Balkan, Irak, Afghanistan, etc.) zurückkehren, ändert sich ihr physischer und psychischer Zustand drastisch. Die Symptome, zu deren Trägern sie geworden sind, sind laut medizinischen Experten Ausformungen von Krebs. Diese Erkrankungen und einhergehende Mutationen treten plötzlich so stark gehäuft auf, dass Fragen zu ihrer genauen Art und ihren Auslösern entstehen. Unsicherheit und Misstrauen sind die Folge.

Ähnlich wie die Bewohner der Kriegsgebiete, die sie eben verlassen haben, werden die Opfer schnell vergessen. Sie irren still in dieser Leere herum und warten auf Heilung oder auf eine Erklärung für ihre Krankheiten, oder den Tod. Die Medien nennen dieses Grauen das „Balkan- oder Golf-Syndrom“. Der Grund für die Erkrankungen: angereichertes Uran, das für Munition und Panzerungen eingesetzt wird. Auch bestimmte Nanopartikel in der Luft stehen im Verdacht, in die Körper der Opfer einzudringen und dort Schaden anzurichten.

Bogomir Doringer hat dieses Phänomen fünf Jahre lang erforscht; er hat Interviews mit Soldaten und deren Familien geführt und mit Wissenschaftlern gesprochen, die nach den Gründen des Syndroms suchen. Das entstandene Material bildet die Grundlage für eine Videoinstallation, in der die Interviewten gleichsam als Geister anwesend sind. Die krasse Wahrheit der Augenzeugenberichte bleibt in Schwebe zwischen dem Zuseher und dem Ungreifbaren – eine verwischte Ahnung vom Werden des zeitgenössischen Menschen. Wer hinter die Leinwand blickt, kann dem Künstler in seinem Forschungsprozess folgen: Er gräbt sich durch die Dokumente der Gegenwart, sammelt die Erfahrungen und Empfindungen der Anderen. In erneuerter Weise will der Künstler-Forscher die Vorgänge beleuchten, die sich unserer Anschauung entziehen.

Ein Mahnmal an die Welt ist es, das die Installation zusammen mit einer Skulptur aus einem Ferrofluid [1] und einem goldenen Biopsie-Präparat bildet: Unsere eigene Angst hindert uns daran, uns selbst zu verstehen, und das, was über das Selbst hinausgeht. Im Ausstellungsraum agiert die Ferrofluid-Skulptur als unser Gastgeber. So wie sie ihre Form vor unseren Augen verändert, setzen wir selbst Körper und Geist jener aggressiven Transformation aus, die das Erkennen mit sich bringt. Unter dem Titel „Hospitality“ sucht die Arbeit auch nach der Absicht, die hinter dem Konzept des Gastgebens [2] steckt, und fragt nach der Verantwortung, die wir auf uns nehmen, wenn wir sie anbieten.

[1] Ein Ferrofluid ist eine leicht magnetisierbare Flüssigkeit. In der Medizin wird sie verwendet, um Krebs zu erkennen. Das Militär verwendet sie zur Tarnung von Gerät.

[2] Das englische Wort für Gastfreundschaft – hospitality (deutsch auch: Hospitalität) stammt vom lateinischen hospes (Fremder, Gast; Gastfreund) das wiederum von hostis abstammt. Hostis bedeutet Fremder, Feind, stand ursprünglich aber auch für „Macht haben“. Das englische Wort host (Gastgeber) hat verwandte Wurzeln, ähnlich wie auch das lateinische hostia (Opfertier). In der Biologie bezeichnet host auch einen Organismus, der von einem Parasiten oder Symbionten bewohnt wird.



http://www.bogomirdoringer.info/hospitality

gefördert von:
BKVB, Mondriaan Foundation, The Netherlands Film and TV Academy
CREDITS:
Kinematographie: Ben Geraerts
Drehbuch: Bogomir Doringer, Irene ter Stege
Montage:Jelena Rosic
Sound: Bogomir Doringer, Slobodan Bajic
Produktion: Bogomir Doringer, Irene ter Stege
Software Entwicklung: Mirko Lazovic



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