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Social Netwalks

Ralph Kistler »


Text von Anja Lückenkemper anlässlich der Ausstellung Pangaea, Galerie der Künstler, München, 2012

Das künstlerische Interesse von Ralph Kistler gründet auf der Beobachtung seiner Umwelt. In seinen Arbeiten hinterfragt der Künstler auf ironische und humorvolle Weise gesellschaftliche Phänomene. Für die Ausstellung Pangaea überträgt Kistler die Humboldt’sche Einordnung und Kategorisierung von Natur auf unsere heutige Zeit. Dabei erforscht und untersucht er allerdings keine Pflanzen oder Tiere, sondern fokussiert seinen beobachtenden Blick auf soziale Netzwerke und Gruppen. Die Videoarbeit „Social Netwalks“ zeigt eine Datenerhebung eines aus der Vogelperspektive gefilmten Dorfplatzes auf Teneriffa, in der Kistler die Passanten, meist Touristen, anhand ihrer äußeren Merkmale – etwa dem Mitführen von Hunden, gelber Plastiktüten oder Kinderwagen – in verschiedene, ästhetisch angelegte Gruppierungen einteilt und so eine Enzyklopädie der Bewohner anlegt. Was auf den ersten Blick wie eine humorvolle Auflistung der Besucherströme wirkt, arbeitet bei genauer Betrachtung jedoch eine kritische Ambivalenz heraus. Was anfänglich wie eine harmlose Unterscheidung in ästhetische Gruppierungen erscheint, wird zu einem Code, der für Außenstehende nicht mehr ohne weiteres dechiffrierbar ist. Die erhöhte Position der Kamera ruft die Aufnahmen von Überwachungskameras in Erinnerung – vor dem Hintergrund der konstanten Aufzeichnungen von Google Earth und CCTV erscheint eine Bestandaufnahme ziviler, nichts ahnender Passanten nicht mehr nur spielerische, sondern durchaus auch bedrohliche Züge aufzuweisen. Kistler hält dem Betrachter die eigene, aufoktroyierte Rolle als quasi permanent Beobachteter vor Augen. Es ist eine kritische Reflektion über selbst gewählte Kontrollinstrumente, wie etwa die sozialen Netzwerke Facebook oder Myspace und Formate des Reality TVs, aber auch ein politischer Kommentar auf eine Gesellschaft, die ihre Bewohner durch Sicherheitskameras und Datenerfassung zu gläsernen Bürgern macht. Die Videoarbeit ist nicht zuletzt auch ein Spiel mit der Wahrnehmung des Besuchers: denn die Kalkulationen und Einordnungen erweisen sich bei näherem Hinsehen nicht als eine wahrheitsgetreue Aufzeichnung der Wirklichkeit, sondern als eine manipulierte Realität. Kistler evoziert auf eine sehr ruhige, unbefangen wirkende Weise eine Gesellschaft wie aus George Orwells Roman „1984“, deren Bürger nicht nur einem unablässigen Sichtbar-Sein unterworfen sind, sondern deren Wahrheit – durch willkürliches Ausspielen der Kontrollmittel – ständiger Manipulation unterworfen sind.



http://www.subtours.com/cms/node/78



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